Herr Erny, seit April 2022 sind Sie der Fraktionsvorsitzende der CDU bei uns hier in der Ortenau im Kreistag. Was waren in diesen gut eineinhalb Jahren die größten Herausforderungen für Sie?
Die Aufgaben des Landkreises sind sehr vielfältig. Diese Breite bildet sich auch bei der Arbeit im Kreistag ab. Den Gesamtüberblick zu halten, ist in dieser schnelllebigen Welt eine Herausforderung.
Worauf sind Sie dabei ganz besonders stolz?
Die CDU hat bereits bei einigen Themen Schwerpunkte in den jeweiligen Ausschüssen gesetzt. Zum Beispiel hat die Forderung nach einer Ortenauer Wasserstoffstrategie klar die Handschrift der CDU-Kreistagsfraktion. Noch im Frühjahr schien die Ortenau von Bund und Land bei der Trassenplanung zum Wasserstoffausbau vergessen zu werden. Unsere Arbeit und Hinweise zu diesem Missstand hat sicherlich schon zur Korrektur beigetragen.
Und wo hätte es aus Ihrer Sicht besser laufen können?
Leider konnte ich einen Kollegen nicht davon überzeugen, in unserem kompetenten CDU-Kreisratsteam zu bleiben.
Die Ampel-Koalition in Berlin macht es unserer regionalen Wirtschaft hier vor Ort nicht gerade leicht. Insbesondere der Mittelstand scheint häufig unterhalb des Radars der Regierung zu sein – zu nennen wären hier insbesondere die Themen Energiekosten, die hohe Steuerlast oder auch die ausufernde Bürokratie. Was sind demgegenüber auf Kreisebene Bereiche, wo Sie sagen können: Hier haben wir den Mittelstand im Blick und hier wollen (und vor allem auch) können wir deren Anliegen und Belange verbessern?
Der Landkreis – Landrat, Bürgermeister und Kreisräte haben dank der hervorragenden Vernetzung zu Nectanet einen guten Draht zur heimischen Wirtschaft und pflegen einen regelmäßigen Austausch. Außerdem begleiten wir Großprojekte eng in der behördlichen Abstimmung. Hier wären die Themen Glasfasernetzausbau, Mobilitätsthemen wie Nahverkehr und auch Umgehungsstraßen zu nennen, die konkreten Einfluss auf die Arbeit der Unternehmen haben.
Eine besondere Stabilisierung in einer Konjunkturschwäche wird mit unseren großen Bauprojekten die heimische Bauwirtschaft erfahren.
Es geht mit großen Schritten auf die Kommunalwahl im Juni 2024 zu, in weniger als sechs Monaten wird gewählt: Welche großen Aufgaben hat der Kreistag in den nächsten fünf Jahren vor der Brust?
Zunächst sind da die angestoßenen Großprojekte wie die drei Krankenhausneubauten in Achern, Lahr und Offenburg zu nennen. Außerdem wird es sicherlich auch um die Sanierung oder um den Neubau des Landratsamtes gehen. Das heißt, dass uns diese Investitionen in der kommenden Wahlperiode begleiten werden. Ich bin mir aber sicher, dass noch viele von Bund und Land angestoßene Veränderungen kommen werden, die die Kommunalen vor Ort lösen müssen. Oft ist auch da die durchgehende Finanzierung nicht gesichert. Weitere Überraschungen, an die wir heute noch gar nicht denken, plane ich mit ein.
Was sind die Visionen und Ziele der CDU auf Kreisebene, auf welche Themen werden Sie und Ihre Fraktion im Wahlkampf setzen?
Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern klar machen, dass es in dieser komplexen Welt keine einfachen Antworten gibt. Wir kümmern uns aber verantwortungsvoll – dank des kompetenten Kreisratsteams – intensiv um die Lösungssuche. Wir stehen dann auch zu unangenehmen Wahrheiten, wenn wir davon überzeugt sind, dass sie für uns der bessere Weg in die Zukunft bedeuten. Langfristig werden wir mit dieser glaubwürdigen Kommunalpolitik belohnt werden.
Wenn Sie sich auf drei Argumente festlegen müssten, warum gerade auch die jungen Bürgerinnen und Bürger, gerade auch die 16-, 17- und 18-Jährigen, bei der Kommunalwahl unbedingt zur Urne gehen sollten - welche wären das?
Wir entscheiden über die Zukunft dieser jungen Generation. Wenn Bundespolitik vielleicht sehr abstrakt ist, Kommunalpolitik ist oft so konkret auch für die unter 18-Jährigen. Wo findet künftig mein Berufsschulunterricht statt? Das liegt zum Beispiel mit an der Entscheidung des Kreistages.
Nahezu alle Stadt- und Ortsverbände müssen um engagierte und interessierte Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahl kämpfen. Haben Sie den einen oder anderen (Geheim-)Tipp für unsere Verantwortlichen vor Ort?
Ich finde Kommunalpolitik nach über 25 Jahren als Gemeinderat und Bürgermeister immer noch so faszinierend, dass ich gerne die Jungwähler überzeugen möchte, sich zu interessieren und im besten Fall auch mitzumachen. Aber ich weiß, dass ich potentielle Kandidaten nur durch die Direktansprache gewinnen kann. Das Reinschnuppern in Sitzungen wie auch das Erklären von Entscheidungen hilft vielleicht, die Zurückhaltung einzelner Kandidatinnen und Kandidaten aufzugeben. Auf jeden Fall sollte man den neuen Gesichtern in der jeweiligen Kommune auch einen vorderen Listenplatz zubilligen.
Das Interview führte Anne Nickert.